Hier auch ein interessanter allgemeiner Artikel zum Thema Sicherheit:
Die Gefahren des Fliegens, FAZ, 25.03. 2015
Oft heißt es nach Flugzeugabstürzen, Fliegen sei sicher. Doch das ist eine Frage der Betrachtung. Ein Blick in die Unfall-Statistik offenbart: Manchmal ist auch die Bahn sicherer.
Schreckens-Monate der Luftfahrt liegen hinter uns. Vor einem Jahr verschwand ein Flugzeug spurlos über dem südindischen Ozean, im Sommer wurde über der Ukraine ein Flugzeug abgeschossen, und am Dienstag stürzte eines ab - ausgerechnet eine Maschine von Germanwings, ausgerechnet aus dem Lufthansa-Konzern, der selbst Flugängstlichen bisher oft Mut zum Abheben machte, weil er zuvor Jahrzehnte ohne Absturz durchgekommen war.
Da werden schnell die alten Statistiken zur Beruhigung zitiert:
Kein Verkehrsmittel ist sicherer als das Flugzeug. Pro Personenkilometer sterben in keinem anderen Verkehrsmittel so wenige Menschen wie im Flugzeug. Auf einer Reise von Berlin nach Rom ist die Autofahrt zum Flughafen gefährlicher als der Flug, auch noch heute.
Denn: Fliegen wird immer sicherer, wie das Autofahren auch. Obwohl seit Jahren immer mehr Leute immer längere Strecken fliegen, kommen immer weniger Menschen auf Flugreisen ums Leben. 2014 war zwar ein schreckliches Jahr - aber doch noch deutlich besser als die meisten Jahre im vergangenen Jahrzehnt.
Warum sich Fliegen unsicher anfühlt
Genauso schnell wird die Sorge um die Sicherheit beim Fliegen ins Irrationale abgeschoben. Die psychologischen Mechanismen sind ja bekannt. Da ist die reine Flugangst und die Angst davor, die Kontrolle über das eigene Fortkommen an einen Piloten zu übergeben. Da ist der Denkfehler, den Psychologen „Verfügbarkeitsheuristik“ nennen: An große, schwere Flugzeugabstürze erinnert man sich leichter als an den alltäglichen Autounfall - schon fühlt sich das Fliegen unsicherer an.
Obendrauf kommt eine sehr menschliche Tendenz, Katastrophen zu meiden. Katastrophen machen Menschen mehr Angst als der alltägliche Tod, selbst wenn sich der alltägliche Tod zu höheren Opferzahlen aufsummiert. Schließlich war es für das Fortbestehen eines Stamms über Jahrtausende gefährlich, wenn ein ganzes Dorf auf einmal ausgelöscht wurde. Wenn immer mal wieder ein Stammesmitglied starb, war das zwar traurig, gefährdete aber nicht den ganzen Stamm.
Wann das Flugzeug doch gefährlich ist
Ganz ohne ist das Fliegen allerdings trotzdem nicht. Denn man kann die Unfall-Statistiken auch anders lesen. Fragt man, wie viele Menschen pro Reisestunde sterben, stehen Züge und Fähren plötzlich sicherer da als die Flugzeuge – so steht es zumindest im jüngsten Transportsicherheitsbericht des Europäischen Verkehrssicherheitsrats, der aus dem Jahr 2003 stammt.
Das bedeutet: Wer die hypothetische Wahl hat, sechs Stunden Bahn zu fahren oder sechs Stunden zu fliegen, der fährt mit der Bahn sicherer. Nun haben die meisten Leute diese Wahl selten, allenfalls bei der Wahl ihres Urlaubsziels.
Doch auch wer sicher weiß, dass er von Frankfurt nach Brüssel muss, sollte über die Bahn nachdenken. Denn das Flugzeug spielt seinen Sicherheitsvorteil erst auf langen Strecken aus. Anders als die jüngsten spektakulären Abstürze suggerieren, geschehen die meisten Flugzeug-Unfälle bei Start und Landung. Kurzstrecken sind im Flugzeug also überdurchschnittlich gefährlich. Der Verkehrssicherheitsrat kommt zu dem Schluss, dass in der Europäischen Union das Flugzeug erst auf Strecken von mehr als 800 Kilometern sicherer ist als die Bahn.
Das Auto ist auf jeden Fall am unsichersten
Am unsichersten ist es auf jeden Fall, sich ins Auto zu setzen. Dort ist die Lebensgefahr in jeder Rechnung am größten.
Amerikanische Forscher haben ausgerechnet: Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sind so viele Menschen aufs Auto umgestiegen, dass auf den Straßen der Vereinigten Staaten viel mehr Unfälle geschahen. Bei den zusätzlichen Unfällen starben mehr Menschen als in den Flugzeugen am 11. September.